
Das AfD-Schmierentheater in Schleswig-Holstein geht weiter
Eine Distanzierung vom rechten Rand, die keine ist! – Ein Kommentar
Im Dezember 2017 sah Jörg Nobis, Fraktionschef der AfD im Landtag Schleswig-Holstein, noch keinen Grund für einen Ausschluss von Doris von Sayn-Wittgenstein. Ein Jahr später sah die Sache aber schon ganz anders aus: Die Fraktion schließt die Landesvorsitzende der AfD Schleswig-Holstein aus und einige Tage später will die AfD sie nun ganz aus der Partei ausschließen. Bis zur Entscheidung des Schiedsgerichtes ist sie von all ihren Ämtern enthoben. Grund dafür sind laut AfD ihre Verbindungen zum Thüringer Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ Die Wurzeln von Sayn-Wittgenstein reichen aber noch viel tiefer in den braunen Sumpf. Dies belegen Recherchen der taz und der antifaschistischen Rechercheplattform „Exif – Recherche & Analyse“, welche einen von Frau von Sayn-Wittgenstein administrierten E-Mail-Verteiler aufdeckten über den sie ungefiltert Propaganda der extremen Rechten weiterleitete.
Bei Fürstin Doris von Sayn-Wittgenstein, die bei der Landtagswahl am 7. Mai 2017 in Schleswig-Holstein über einen Listenplatz gewählt wurde und seit Juni 2017 Landessprecherin ist, führen nicht nur die Herkunft ihres Namens und Titels zu Streit und Unstimmigkeiten in ihrer Partei, sondern auch, dass sie dort für einen extrem-nationalistischen Flügel steht. Fast wäre sie Bundesvorsitzende geworden, aber schon Ende 2017 sorgte sie für Unmut in der AfD. Ihr wird unter anderem die Nähe zur extremen Rechten, Zensur innerhalb der Partei und ein Rechtsstreit mit einem Parteimitglied vorgeworfen. Was nach kritischer Auseinandersetzung klingt, hat allerdings einen faulen Kern. Wird doch von den Kritikern immer wieder auf die damals bevorstehende Kommunalwahl und die Rufschädigung der Partei hingewiesen. „Wer will schon an einem Wahlkampfstand mit den Reichsbürgern in Verbindung gebracht werden“ so die Sorge einiger Mitglieder. Da stellt sich die Frage, worum es hier wirklich geht.
Anwalt Björn Clemens im Gespräch mit Jörg Nobis und Doris von Sayn-Wittgenstein
Schon vor einem Jahr wurde bekannt, dass Sayn-Wittgenstein den Anwalt Björn Clemens an die Partei für den Rechtsstreit um die Wahl des Landesvorstandes vermittelte. Clemens selbst war 18 Jahre Mitglied der extrem rechten Partei Die Republikaner (REP) und machte mit Aussagen wie das Hakenkreuz sei ein „Hoheitszeichen aus bedeutsamer Zeit“ auf sich aufmerksam. Die AfD will davon zum Zeitpunkt der Beauftragung nichts gewusst haben und zog auch nach Bekanntwerden keine Konsequenzen. Ebenso war öffentlich bekannt, dass von Sayn-Wittgenstein im Vorstand des Vereins „Die Deutschen“ war. Ein Verein, der vom verstorbenen Klaus Sojka initiiert wurde und u.a. das „Nichtbestehen der BRD“ beantragte. Im Nachhinein dementierte sie dies zwar und behauptete, bloß Werbung für den Verein gemacht zu haben, die Seite des Vereins besagt allerdings anderes. Werbung für einen extrem rechten Verein zu machen, ist natürlich auch nicht schlimm und sagt auch nichts über die eigene Gesinnung aus? Fragen, die von ihr selbst nicht beantwortet werden. Frau von Sayn-Wittgenstein bastelt sich selbst eine Rolle als unverstandenes Mobbingopfer und nimmt an den Fraktionssitzungen im Kieler Landtag nicht mehr teil. Weitere Handlungen seitens der Partei treten erst ein Jahr später ein. Sowohl Jörg Nobis als auch die Landeschefin bestätigen ihren Ausschluss aus der AfD-Fraktion am 4. Dezember 2018. Am 17. Dezember wird dann bekannt, dass die schleswig-holsteinische AfD den Ausschluss von Frau von Sayn-Wittgenstein anstrebt. Die Entscheidung des Schiedsgerichts steht noch aus.
Letzten Endes ist dies aber nur ein medienwirksamer Schachzug ohne weitreichende Konsequenzen. Was also soll diese um ein Jahr verspätete Schelte und fadenscheinige Distanzierung vom rechten Rand?
Waren die Mitglieder der AfD im Dezember 2017 vor allem um die nahende Kommunalwahl und die Außenwirkung der internen Streitigkeiten besorgt, weht jetzt ein anderer Wind. Nach den letzten Wahlergebnissen strebt die Partei nach einem Platz in der Regierung, weg von der Opposition. Sie versucht sich als möglicher Koalitionspartner zu präsentieren. Anders ist der Sinneswandel nicht zu erklären, sah die Partei doch bis vor Kurzem keinen Grund zum Handeln, trotz Wissen um die oben genannten Verbindungen zur extremen Rechten: Da kommt der Ausschluss der Landessprecherin und der damit verbundenen, angeblichen Distanzierung vom rechten Rand gerade passend.
In der AfD ist man nämlich zumindest offiziell gerade so weit rechts außen, wie der Verfassungsschutz es erlaubt und solange die Naziaktivitäten der Mitglieder verborgen von der Öffentlichkeit stattfinden. Frei nach dem Motto: „Was der Wähler nicht weiß, macht den Wähler nicht heiß“. Das Ausschlussverfahren von Doris von Sayn-Wittgenstein ist nicht mehr als ein Bauernopfer zur Verschleierung der tiefen Verbundenheit der Partei mit der extremen Rechten. Ein bekanntes Mitglied muss gehen, damit im Dunkeln weitergearbeitet werden kann und die Öffentlichkeit beruhigt ist. Die AfD ist und bleibt eine Partei mit Mitgliedern mit extrem-nationalistischer Einstellung und Neonazis.
Volker Zierke, ehemaliger Chef der „Identitären Bewegung“ in Schleswig-Holstein & AfD-Mitglied
Bezeichnend dafür ist beispielsweise der Umstand, dass der ehemalige Chef der „Identitären Bewegung“ in Schleswig-Holstein, Volker Zierke, mindestens seit dem Jahr 2016 Mitglied der AfD ist. Zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern der extremen Rechten beteiligte sich dieser an einem Angriff am Lübecker Hauptbahnhof, bei dem sie mehrmals mit einem Messer auf einen politischen Gegner einstachen und diesen verletzten. Zierke und seine Nazifreunde können hier exemplarisch für die enge Verwobenheit von AfD und extremen Rechten genannt werden. Ebenso wie die aufgedeckten Verstrickungen der AfD zu dem gewaltbereiten Neonazi Rene Metz aus Ostholstein, welcher durch eine Hetzkampagne dafür sorgte, dass eine Kinoveranstaltung aufgrund von massiven Androhungen abgesagt werden musste. Es gibt keine Berührungsängste, keine Distanzierungen und keine Konsequenzen.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis weitere Verbindungen zur extremen Rechten bekannt werden und am Ende ist es wie immer nach schlechter deutscher Tradition: Die AfD hat von nichts gewusst. Wir lassen uns von dieser Farce nicht täuschen. Es ist ein billiger Versuch, die Partei in ein besseres Licht zu rücken. Ein einzelner Ausschluss ist nicht genug und ändert nichts an der Einstellung der restlichen Mitglieder. Und so liegt es wieder an uns, die Stimme dort zu erheben, wo geschwiegen wird. Die Konsequenzen zu ziehen, die nicht gezogen werden. Und uns der rechten Propaganda mit allen Mitteln und auf vielen verschiedenen Ebenen entgegenzustellen.