
… gemeint sind wir alle!
Wir dokumentieren einen Print-Artikel aus der zeck 175 / Juni/Juli 2013
Lübeck | Irgendjemand ist immer der dümmste – die Lübecker „Staatsschützer_innen“ (Kommissariat 5) führen die Liste an. Das Lübecker Bündnis „Wir können sie stoppen“ bezeichnete die aktuelle Bespitzelungsaffäre gegen Lübecker Antifaschist_innen als „Höhepunkt der Perversität“ seitens der staatlichen Repressionsorgane in Lübeck und Umland.
Hintergrund
Anfang April wurden Lübecker Staatsschützer_innen des Kommissariat 5 dabei beobachtet, wie diese sich an einem Fahrzeug ein_er Antifaschist_innen zu schaffen machten. Sichtlich überrascht reagierten die eingesetzten Beamt_innen gereizt auf die Frage, was sie an dem Fahrzeug zu suchen hätten. Sie interessierten sich für das Fahrzeug, erwiderte einer der Beamten. Welche Art von Interesse die Beamt_innen hatten, wurde nach einer Inspektion des Fahrzeugs relativ schnell deutlich. Im Radkasten auf der Fahrer_innenseite des Fahrzeugs wurde ein „GPS Tracker“ installiert.
[box]GPS-Tracker werden dafür verwendet, sogenannte „Bewegungsprofile“ zu erstellen, um Erkenntnisse darüber zu erhalten, welche Wegstrecken zurückgelegt und welche Zielorte das Fahrzeug angefahren hat. Alternativ können solche Geräte um eine „Abhörvorrichtung“ erweitert werden, um eventuelle Gespräche im Inneren des Fahrzeuges mitzuschneiden. Die Daten dieser Überwachung können jederzeit durch GPS abgerufen und die erhaltenen Informationen in Kartenausschnitten gekennzeichnet werden.[/box]
Was viele Menschen als schlechten Scherz abtun würden, ist harte Realität. Nichts Neues, wenn es um Kriminalisierung antifaschistischer Initiativen geht, jedoch immer wieder ungewohnt, wenn mensch selbst davon betroffen ist. Die Überwachung per GPS ist dabei mit Sicherheit nicht das erste „Ermittlungstechnische Mittel“, das zur Bespitzelung antifaschistischer Bewegungen eingesetzt worden ist; ihm vorausgegangen ist erfahrungsgemäß die Online-Überwachung, sprich das Mitlesen von Mails oder die Datenauswertung von telefonischen Verbindungen.
Warum das alles geschehen ist, kann in in unzähligen spekulativen Argumenten nur schwammig hergeleitet werden. Fakt ist, dass der aktuelle Verfassungsschutzbericht für Schleswig-Holstein das übliche Geseiere gegen antifaschistische Aktionen beinhaltet. Neu dagegen sind die Positionen gegen antifaschistische Recherchearbeit; so heißt es im VS-Bericht, die antifaschistische Recherche Arbeit würde polizeiliche Ermittlungen behindern. Was das konkret bedeutet oder bedeuten soll, wird nicht weiter ausgeführt. Zudem wird in dem Bericht die Befürchtung geäußert, politische Strukturen könnten sich festigen und ausweiten.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass es nur ein Ziel ist, politisch motivierte Straftaten zu verfolgen, vielmehr geht es jedoch darum, das Potenzial, das in der linksradikalen Lübecker Bewegung steckt, durch forsche Repressionsmaßnahmen zu mindern. Dies spiegelt sich auch in den Versuchen wider, Druck auf einzelne Mitglieder der Lübecker Szene auszuüben. So wurden nach dem Finden des GPS-Trackers zwei Genoss_innen von Staatsschützer_innen des Kommissariats 5 aus Lübeck auf ihrem Nachhauseweg begleitet oder vor ihrer Wohnungstür abgefangen. Diese offensichtlichen staatlichen Repressionsmaßnahmen sind in ihrer Ausführung und Qualität so bescheiden, dass die Verzweiflung nach polizeilichen „Ermittlungserfolgen“ offensichtlich wird. Repression kann nur wirken, wenn mensch sich darauf einlässt – nicht nur ein Spruch, sondern alltägliche Praxis!
Umgang mit staatlicher Repression
Die Offensive, nicht nur medial, sondern auch praktisch, ist der Schritt gegen staatliche Repression; konkret bedeutet es, dass die aktuelle Situation öffentlich gemacht werden muss. Im unserem Fall haben Anwält_innen den GPS-Tracker im Beisein vertrauensvoller Journalist_innen demontiert. Die Dokumentation des Erlebten wurde überregional medial über verschiedene Kanäle öffentlich gemacht. Des Weiteren wurden die lokalen Strukturen über diverse Wege für das Thema sensibilisiert. Das Maifest auf der Wallhalbinsel mit mehr als 4.000 Besucher_innen wurde genutzt, um die Thematik in der lokalen Struktur zu verankern. Ein Anfang, jedoch definitiv nicht das Ende des Liedes. Der Forderung an die polizeilichen Ermittlungsorgane, die Karten auf den Tisch zu legen, ist bisher noch nicht Folge geleistet worden. Wie es zu erwarten war, möchte keine der Polizeibehörden für die Bespitzelungsaffäre verantwortlich sein. Positiv daran ist, dass dies im Falle eines Verfahren schriftlich vorgelegt werden kann. So kurios sich alles auch anhören mag, so bleibt dennoch die Solidarität. Dieser Fall ist nicht der Anfang gewesen und wird auch nicht das Ende sein. So viel steht fest. Wir verbleiben in offener Feindschaft gegenüber den Bullen, dem Staat und der ganzen anderen Kackscheiße, die uns und andere hindern, ein selbstbestimmtes Leben zu führen!
Wir laden euch ganz recht herzlich ein, an unserer Soliparty am Samstag, 27. Juli, in der Roten Flora teilzunehmen. Unter dem Motto „Anna und Arthur halten’s Maul“ möchten wir mit euch zusammen gegen Repression und die ganze Scheiße feiern.