
Kommentar: Mund auf gegen rechte Hetze in der Lübecker Bürgerschaft
Oder Warum das erste Mal auch manchmal das letzte Mal sein sollte und schweigen nicht immer Gold ist.
Am 27. September 2018 fand im Lübecker Rathaus während der dritten Bürgerschaftssitzung der neuen Lübecker Regierung ein historisches und ebenso trauriges Ereignis statt. Die rechte Partei, Alternative für Deutschland, stellte durch Dr. Werner Vieler ihren ersten Antrag. Um jedes Vorurteil zu bestätigen, richtete sich dieser gegen in Lübeck lebende Geflüchtete.
Um Konkreter zu werden ging es Dr. Vieler in seinem Antrag um ein Wohnheim für Geflüchtete. Er fordert den Bürgermeister darin auf für Ruhe zu Sorgen. Angeblich seien Anwohner_innen seit Monaten von nächtlichen Ruhestörungen betroffen und hätten sich laut seiner Aussage hilfesuchend an den rechten Politiker gewandt. Anstatt sich mit den Problemen der Hansestadt zu beschäftigen, wie unbezahlbarer Nahverkehr, unzureichende Deckung der Betreuungszeiten in Kindertagesstätten oder eine unzumutbare Baustellenlage auf den Straßen wurde also gleich ein Vorwand gefunden, um gegen Geflüchtete zu hetzen und der Parteilinie treu zu bleiben. Dr. Vieler hatte auch direkt eine Lösung parat, die er in seiner schlecht vorgetragenen Rede hervorbrachte: Der Bürgermeister, Jan Lindenau, sollte sich höchstpersönlich diesem weltbewegenden Problem annehmen! So sieht konstruktive und lösungsorientierte Politik in Zeiten, in denen eine Partei versucht durch leere Phrasen angebliche Lösung für konstruierte Probleme zu liefern also aus. Da kommt die Frage in den Sinn, wie genau Herr Dr. Vieler sich das vorstellt. Soll sich Herr Lindenau nachts dort „höchstpersönlich“, wie er forderte, in das Wohnheim stellen und zur Nachtruhe aufrufen? Endlich ein Machtwort sprechen und die bösen, ungezogen Geflüchteten ins Bett schicken? Die deutsche Nachtruhe ist schließlich ein wichtiges Gut. Das muss geschützt werden. So könnte man denken, wenn man nicht schon früher die Politik der Alternative für Deutschland verfolgt hat.
An der Inhaltslosigkeit dieses Antrages wird schnell klar, worum es nun eigentlich geht. Das AfD Mitglied nutzte direkt die Bühne, um sein fremdenfeindliches Bild in die Öffentlichkeit zu tragen.
Das es mal lauter werden kann, wenn viele Menschen auf engstem Raum zusammen sind, sollte jedem klar sein, der mal in einer Jugendherberge schlafen durfte. Ungemütliche Etagenbetten, kein Rückzugsraum. Viele Menschen erzeugen viel Lärm. Wie wäre es z.B. mit einem Antrag auf eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen gewesen? Weniger Menschen, weniger Lärm. Einfache Rechnung. Und endlich Ruhe für die Nachbarn. Alle froh. Doch so einfach ist es leider nicht. Jedenfalls nicht mehr seit wir solche Parteien in den Regierungen sitzen haben.
Denn es ist ein simpler Trick. Sich angeblicher Probleme der Bürger annehmen, diese noch aufbauschen und schon kann man das Bild des störenden Eindringlings, des bösen Geflüchteten in die Köpfe bringen und noch so tun, als ob man sich für Menschen einsetzt und die realen Interessen, für die es mehr Einsatz erfordern würde, in den Hintergrund drängen. Ruhestörungen gab es nämlich vor 2015 nicht. Haben alles die Geflüchteten mitgebracht. Die so genannten Deutschen sind alle leise und können sich gut benehmen. Man beachte dazu die aktuellen Statistiken des Oktoberfestes. Oder gehen da auch nur noch Geflüchtete hin? Wann kommt da eigentlich mal der Antrag, dass sich Frau Merkel der Sache höchstpersönlich annehmen sollte?
Aber wie reagiert mensch nun auf so einen Antrag? Traurige Bilanz: Ohne Wortmeldung stimmten CDU, SPD, Grüne, Die Linke, Die Unabhängigen, Freie Wähler, GAL und Die Partei dagegen. Die FDP und Bürger für Lübeck (BfL) spielten noch mehr Fähnchen im Winde und enthielten sich. Stattdessen wurde lieber nochmal die Sitzung unterbrochen, weil der Internetempfang ausgefallen ist. Doch ist in diesem Fall Schweigen Gold? Darf einer rechten Partei das Feld überlassen werden? Erziehung durch Ignorieren? Ein ganz klares: Nein!
Eine Entscheidung die weitreichende Folgen hat. Es wäre eine Chance gewesen, die AfD, die sich mit ihrem gehaltlosen Antrag, bereits selbst blamiert hatte, in de Schranken zu weisen. Es wäre ein leichtes gewesen mit Argumenten dagegen vorzugehen und aufzuzeigen, welche wahren Pläne verfolgt wurden. Diese Chance wurde verpasst und stattdessen der Grundstein gelegt, dass sich Herr Dr. Vieler weitere Anträge aus den Fingern saugen wird, die wieder gezielt seine Rechte Propaganda verbreiten sollen. Also nächstes mal bitte Mund auf, liebe SPD, CDU, Grüne, Die Linke, Die Unabhängigen, Freie Wähler, GAL, Die Partei und nicht den Nazis die Plattform geben, die sie nicht haben dürfen!
Und an Dr. Vieler: Ein Anfang kann auch direkt ein Ende sein.