Rückblick zur Aktionswoche: Hafenstraße’96
Zum 22. Mal jährte sich 2018 der Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete in der Lübecker Hafenstraße. Ein Bündnis aus antirassistischen und antifaschistischen Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen nahm sich auch in diesem Jahr des Gedenkens an und machte auf die Lügen, Hetze und politisch motivierten Pannen in der Ermittlungsarbeit der Lübecker Staatsanwaltschaft zum Brandanschlag aufmerksam.
Am Dienstag, den 16. Januar 2018, wurde in der Student_innenbar Blauer Engel in der Clemensstraße zunächst der Dokumentarfilm „Tot in Lübeck“ gezeigt. Die rund 60 Sitzplätze reichten bei weitem nicht aus, um dem Besucher_innen-Ansturm gerecht zu werden. Zwei Tage später dann, am Donnerstag, versammelten sich bei eisigem Wind und schlechtem Wetter rund 100 Menschen, um am Jahrestag des Brandanschlags in der Hafenstraße den Toten und anderer betroffener Menschen zu gedenken. Redebeiträge verschiedener Initiativen forderten u.a. die Stadt Lübeck dazu auf, Ermittlungen gegen die vier Grevesmühlener Neonazis aufzunehmen, die die Tat Jahre später vor Zeugen gestanden hatten. Ein Klageerzwingungsverfahren und andere juristische Mittel scheiterten bis heute an den Ermittlungssorganen.
Am 19. Januar wurde im „Kommunalen Kino“ (KoKi) das dokumentarische Theater „NSU-Monologe“ gezeigt. In der anschließenden Podiumsdiskussion, an der u.a. der ehemalige Bürgermeister von Lübeck Michael Bouteiller teilnahm, wurde die Kontinuität des deutschen Rassismus thematisiert, der Umgang mit Alltagsrassismus sowie die damit einhergehende rassistisch motivierte Hetze rechter Parteien wie der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Bereits Tage vor der Veranstaltung im KoKi zeichnete sich ab, dass die Nachfrage an der Veranstaltung so groß ist, dass leider nicht alle Menschen dem dokumentarischen Theaterstück beiwohnen konnten. Dafür möchten wir uns entschuldigen.
Die Aktionswoche fand am Samstag, den 20. Januar 2018, ihren Abschluss. Unter dem Motto „Hafenstraße’96 – Gedenken & Anklagen“ demonstrierten rund 450 Menschen durch die Lübecker Innenstadt. Die Antifaschistische Koordination Lübeck hielt einen Redebeitrag während der Demo, der nachfolgend dokumentiert wird:
Es ist 2018. 22 Jahre sind nun seit dem Brandanschlag in der Hafenstraße vergangen. Das ist eine lange Zeit. Viele, die hier stehen, waren 1996 noch Kinder oder noch nicht einmal geboren. Und trotzdem stehen wir gemeinsam und das ist auch gut und nötig so!
Seit einigen Jahren zeigt sich wieder deutlich, wie tief Antisemitismus, Nationalismus und Rassismus in der deutschen Gesellschaft verankert sind. Genau in dem Land, das für die schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte verantwortlich ist. Genau hier gehen Menschen mit ihrer Fahne auf die Straße und hetzen gegen alles, was nicht in ihr scheiß kleinbürgerliches Weltbild passt. Genau in diesem Land, in dem Synagogen brannten, Menschen in Konzentrationslager deportiert wurden und das in seiner nationalistischen Verblendung den Zweiten Weltkrieg begann, brennen heute, genau wie schon vor 22 Jahren in der Hafenstraße, Geflüchtetenunterkünfte, Menschen werden aufgrund Ihrer Hautfarbe angegriffen und vom Staat unterhalb jeglicher Menschenwürde behandelt. Eine Partei mit einem extrem nationalistischen Programm zieht mit fast 13 % in den Bundestag ein.
In diesen Zeiten müssen wir umso solidarischer zusammenstehen! Wir fallen in keine Schockstarre und zeigen hier und jetzt, was wir davon halten! Gegen den Rechtsruck. Wir brauchen keine Grenzen! Weder zwischen Ländern noch in den Köpfen der deutschen Spießbürger! In Mölln, Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Solingen und auch hier in Lübeck konnten wir sehen, wozu die mörderische rassistische Gewalt führt. Das waren keine verwirrten Einzeltäter! Das muss endlich anerkannt werden!
Und trotzdem scheint es so, als wurde aus der Geschichte nichts gelernt. Rassistische Anschläge finden kaum noch Notiz in den Medien, obwohl eine rechte Bewegung überdeutlich aktiv ist. Aber wir stehen hier und lassen uns nicht zum Schweigen bringen! Wir sind viele und wir sind laut! Wir kämpfen gemeinsam die Erinnerung zurück – an das Geschehene, an das, was am besten vergessen werden soll, an das, was unter den Teppich gekehrt werden soll. Wir stehen hier gemeinsam gegen die Ursachen und erinnern an die Folgen. Damit es nie wieder ein Mölln, Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Solingen oder Lübeck gibt! Das Vergangene lässt sich nicht totschweigen! Und auch wenn es keiner hören will: Rassismus ist seit langem Alltag in Deutschland. Doch wir nehmen das nicht hin! Es gibt hier keinen Platz für Rassismus! Wir bleiben solidarisch mit allen Geflüchteten! Schluss mit Abschiebung, Residenzpflicht und Arbeitsverbot! Keine Toleranz für faschistische Ideologie und Gewalt!
Wir gedenken nicht nur, wir klagen an! Es ist der Rassismus, der getötet hat und heute noch tötet! Brecht das öffentliche Schweigen! Gegen Rassismus, für grenzenlose Solidarität! Es gibt keinen Platz für Nazis in Lübeck und auch sonst nirgendwo!